Die Brücke zwischen Vision und Wirklichkeit
Friedrich Nietzsche sagte einst: „Hat man sein Warum des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem Wie.“ In der Geschäftswelt wird dieses Zitat oft verwendet, um die Kraft einer klaren Vision hervorzuheben – das Warum, das uns antreibt. Doch im Unternehmensalltag wird schnell klar: Es reicht nicht aus, nur zu wissen, warum man etwas tut. Entscheidend ist, wie man es umsetzt. Denn das Wie – also die Strategie – ist die Brücke, die die Vision mit einem letztendlich funktionierenden Betriebsmodell verbindet. Ohne diese Brücke bleibt die Vision unerreicht.
Ist Vision vielleicht überbewertet?
Visionen werden häufig als der heilige Gral der Unternehmensführung dargestellt. Doch hier müssen wir provozierend hinterfragen: Ist die Vision vielleicht überbewertet? Viele Unternehmen scheitern nicht an mangelnden Visionen, sondern daran, ihre Ideen nicht in eine konkrete Strategie zu überführen. Tatsächlich zeigen Studien, dass ein Grossteil der Transformationsprojekte in Unternehmen scheitern – nicht wegen schlechter Visionen, sondern aufgrund mangelhafter Umsetzung (Kotter, 1996). Ohne ein klares „Wie“ bleibt das „Warum“ reine Theorie.
Warum ist das Wie so wichtig?
Es reicht nicht aus, nur eine grossartige Idee oder Vision zu haben, wenn der Weg dorthin nicht klar definiert ist. Unternehmen können scheitern, wenn sie das Wie vernachlässigen. Nehmen wir an, Sie haben eine bahnbrechende Vision, aber Ihre Konkurrenz arbeitet ebenfalls an innovativen Lösungen. Wie Sie Ihre Vision umsetzen, entscheidet darüber, ob Sie die Nase vorn haben oder ins Hintertreffen geraten. Die richtige Strategie macht den Unterschied: ob Ihre Innovationen schneller und präziser auf den Markt kommen und ob Sie dabei effizienter agieren als Ihre Wettbewerber.
Auch intern spielt das Wie eine entscheidende Rolle. Die besten Mitarbeiter verlassen oft Unternehmen, wenn sie keine klaren Handlungsrichtlinien oder Prozesse haben, um die Unternehmensvision zu verwirklichen. Ein gutes Beispiel dafür sind technologiegetriebene Unternehmen: Sie können die talentiertesten Entwickler und Ingenieure an Bord haben, aber ohne eine klar definierte Strategie werden diese Ressourcen ineffizient eingesetzt, und Mitarbeiter könnten frustriert das Unternehmen verlassen. Eine gute Strategie gibt den Mitarbeitenden nicht nur Orientierung, sondern motiviert sie, die Vision aktiv umzusetzen.
Strategische Agilität statt starrer Pläne
Ein weiteres Problem liegt darin, dass Unternehmen häufig starr an einer einmal festgelegten Strategie festhalten. Doch dies kann in dynamischen Märkten verheerend sein. Starre Strategien sind genauso gefährlich wie gar keine Strategie. Stattdessen brauchen Unternehmen heute strategische Agilität – die Fähigkeit, die Strategie flexibel anzupassen und schnell auf Marktveränderungen zu reagieren. Studien belegen, dass Unternehmen, die ihre Strategien dynamisch anpassen, erfolgreicher sind, insbesondere in volatilen Märkten (Doz & Kosonen, 2008). Ein festgelegtes „Wie“ muss also laufend hinterfragt und optimiert werden.
Die Rolle des Geschäftsmodells: Das unterschätzte „Was“
Neben der Vision und der Strategie darf das Geschäftsmodell nicht ausser Acht gelassen werden. In wissenschaftlichen Diskussionen wird das Geschäftsmodell zunehmend als dynamischer Faktor verstanden, der kontinuierlich weiterentwickelt werden muss, um langfristig erfolgreich zu bleiben (Teece, 2010). Die richtige Frage lautet also nicht nur „Wie setzen wir die Vision um?“, sondern auch: Ist unser Geschäftsmodell noch relevant? Es genügt nicht, ein Betriebsmodell zu entwickeln, ohne das zugrunde liegende Geschäftsmodell kontinuierlich zu hinterfragen. Erfolgreiche Unternehmen optimieren nicht nur ihre Strategie, sondern passen auch regelmässig ihr Geschäftsmodell an die Marktanforderungen an.
Strategie als Brücke zur Realität
Stellen wir uns ein Unternehmen vor, deren Vision es ist, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) jedem Kunden ein massgeschneidertes Erlebnis zu bieten. Das UNternhmen möchte auf Basis von Kundendaten und -verhalten genau abgestimmte Angebote und Beratungsleistungen zur Verfügung stellen. Diese Vision ist inspirierend, doch wie bringt man diese Idee in die Realität? Hier kommt die Strategie ins Spiel. Es reicht nicht, das Ziel festzulegen – der Weg dorthin muss klar definiert sein, um den Erfolg sicherzustellen. Eine KI, die das Verhalten der Kunden versteht, kann nur dann präzise Empfehlungen geben, wenn sie Zugriff auf relevante und saubere Daten hat. Darüber hinaus müssen Prozesse definiert werden, wie die KI-Erkenntnisse effektiv in die Kundeninteraktion umgesetzt werden.
Die Strategie eines Unternehmens bildet die Brücke zwischen der Vision und dem Betriebsmodell. Aber wie definiert man das Wie richtig?
Klares Ziel setzen: Das „Wie“ beginnt damit, die Ziele genau zu definieren. Im Fall des Unternehmes könnte das Ziel lauten: „Personalisierte Kundeninteraktionen in Echtzeit bereitstellen, um die Kundenzufriedenheit zu steigern.“
Die richtigen Ressourcen identifizieren: Welche Technologien, Systeme und Datenquellen sind notwendig, um diese personalisierten Erlebnisse zu ermöglichen? In diesem Fall sind moderne KI-Tools und umfassende Kundendaten entscheidend, aber auch die Skills und Expertise der im Projekt und im daraus resultierenden betrieb benötigten Mitarbeiter.
Prozesse und Verantwortlichkeiten festlegen: Es muss klar definiert werden, wie die Prozesse ablaufen und wer die Verantwortung für die einzelnen Schritte übernimmt. Das Unternehmen muss sicherstellen, dass die Datenanalyse effizient in die bestehenden CRM-Systeme integriert wird und dass alle Abteilungen nahtlos zusammenarbeiten.
Messbare Ergebnisse bestimmen: Eine gute Strategie ist immer ergebnisorientiert. In diesem Fall könnte das Unternehmen die Kundenzufriedenheit, die Reaktionszeit auf Kundenanfragen und die Steigerung von Cross-Selling durch personalisierte Empfehlungen als KPIs definieren.
Eine Strategie, die Wandel ermöglicht
Dieses Beispiel zeigt, dass eine Vision ohne eine gut durchdachte Strategie nicht ausreicht. Vision, Geschäftsmodell und Strategie müssen harmonisch miteinander verbunden sein, um langfristigen Erfolg zu gewährleisten. Das „Warum“ gibt die Richtung vor, das „Was“ beschreibt die Wertschöpfung, und das „Wie“ bildet die entscheidende Brücke, die diese Elemente mit einem funktionierenden Betriebsmodell und letztendlich mit der resultierenden Performance verbindet. In einer dynamischen, sich schnell verändernden Geschäftswelt ist eine agile und kontinuierlich überprüfte Strategie der Schlüssel, um sich an neue Herausforderungen und Marktbedingungen anzupassen. Nur so kann die Vision tatsächlich Realität werden.
Quellen:
Kotter, J. P. (1996). Leading Change. Harvard Business Review Press.
Doz, Y., & Kosonen, M. (2008). The Dynamics of Strategic Agility: Nokia’s Rollercoaster Experience. California Management Review.
Teece, D. J. (2010). Business Models, Business Strategy and Innovation. Long Range Planning, 43(2-3), 172-194.